Die Erzüchtung des Englischen Zwergkröpfers
Von 1858 - 1937: Von den Anfängen bis zur Dominanz:
Jeder, der halbwegs eine Ahnung von der Entstehung dieser Taubenrasse hat, weiß, dass als Ausgangsmaterial für die Erzüchtung der Brünner-Kröpfer herangezogen wurde. Tatsache ist aber, dass es zur Zeit der Erzüchtung des Englischen Zwergkröpfers den Begriff „Brünner-Kröpfer“ noch nicht gab. Denn John Matthews EATON spricht 1858 nur von „little Lilliputians“, ohne ihnen einen konkreten Namen zu geben. Dies entspricht auch dem ersten Werk der tschechischen Taubenfachliteratur. Bei Frantisek Spatny finden wir 1862 nur den Sammelbegriff „Holandcani“. Erst William Bernhard TEGETMEIER spricht 1868 von „Brunnen Pouters“, die ein Dr. Harvey aus Cork nach England eingeführt habe. Erst vier Jahre später gibt es in der tschechischen Fachliteratur im 1872 erschienenen Werk von Karel TROJAN die Untersuchung zwischen „Prazsky volac“ und Brnesky volac“. Drei Jahre danach, also 1875, ein erster Hinweis aus der deutschen Fachliteratur.
Dr. William LÖBE spricht von „sämtlichen kleinen Kropftauben, welche bisher Brünner und Prager genannt wurden“. Ein Jahr später, also 1876, spricht Robert FULTON in seinem Taubenbuchklassiker „Austrian Pouter“, die Ausgangspunkt der Englischen Zwergkröpferzucht gewesen sein sollen. Im selben Jahr ist Gottlob NEUMEISTER an der Reihe (siehe Foto). Er beschreibt erstmals detailliert die Brünner Kropftaube und hält sie in seiner Kröpfertafel fest. Den ,,Österreichisch-ungarischen Blättern für Geflügel-und Kaninchenzucht“, 1.Jg., 1878, kann entnommen werden, dass auf der 4. Int. Geflügelausstellung im Wiener Prater vom 19. bis 25. 5. 1878 der berühmt Strasserzüchter Karl Scholz aus Poysdorf bereits Brünner Kröpfer unter diesem Namen ausstellte. Lewis WRIGHT verweist 1879 auf die besondere Schwierigkeit, den ‚‘german birds“ die ,,orthodoxe Englische Herzzeichnung“ anzuzüchten. Schon ein Jahr vorher hatte Eduard BALDAMUS auf die Begriffsverwirrung in Bezug auf den Brünner Kröpfer hingewiesen: ,,In Österreich Holländische Kröpfer, in England Austrian Pouter genannt, ist dieser in Deutschland allgemein unter Brünner Kröpfer bekannt.“ Jean BUNGARTZ bringt als erster eine Kröpfertafel (siehe Foto), auf der exakt zwischen drei Zwergkröpferrassen (Prager, Brünner und Englischer) unterschieden wird. Dies war 1885. Auch er betont beim Brünner Kröpfer, dass er ,,in Wien und Prag unter dem Namen ,,Holländischer Kröpfer bekannt sei. (Dies entspricht auch der Bezeichnung bei Spatný aus dem Jahre 1862!). Aus dem Jahre 1886 haben wir gleich drei Belegstellen aus drei verschiedenen Ländern. George URE betont, dass ,,Dr. William Smith aus Halifax auf einer Tour auf dem Kontinent war und einige Österreichische Kröpfer aus Wien nach Hause gebracht habe“. Diese hätten ebenfalls zur Erzüchtung Englischer Zwergkröpfer gedient. Im selben Jahr veröffentlichte Vladislav Sir in Prag sein Werk ,,Holubarstivi“ und unterschied in der Gruppe ,,Volaci mali“: ,,Volaci prazsti (Prazaci)“ und ,,Volacii brnensti (Brnaci)“. Bei Gustav PRÜTZ schließlich finden wir das Sammelkapitel ,,Die Böhmische, Mährische, Österreichische, Brünner, Prager oder Englische Zwergkröpfaube“. Nach seiner Meinung ,,entpuppen sie Sich schließlich als eine Rasse und deren mutmaßlichen Kreuzungen“. Auch er betont, dass man in Wien die Brünner und Prager Taube für Holländer hält, während man sie in England Österreichische Kropftaube nennt“ (siehe Fulton 1876!). Wie so oft bietet James LYELL 1887 die ausführlichste Information. Er verweist auf die großen Leistungen, die Captain Normann Hill ab 1879 für die Erzüchtung des Englischen Kröpfers erbracht hat. Hill gab 1882 sein Buch „The Pouter Pigeon“ heraus, heute eine unerreichbare Kostbarkeit auf dem bibliophilen Büchermarkt, wie mir der deutsche Sammler Werner Zahn versicherte, und daher leider nicht in meinem Besitz. Dies betont auch mein amerikanischer Freund, Frank BARRACHINA in seinem Kröpferbuch, erschienen 1986: ,,Es war die legendäre Taubenausstellung von London, abgehalten im Kristall-Palast 1880, wo Hill den ersten wahren Zwergkröpfer, einen schwarzen Täuber, ausstellte. Noch 1896 beklagte FRIDERICH in seinem ,,Geflügelbuch“, ,,dass die Englischen Zwergkröpfer, diese lebhaften und zierlichen Täubchen nicht mehr Liebhaber bei uns finden.“ Auch Franz KOBERGER weist in seinem Artikel aus dem Jahre 1903 darauf hin, dass sich die Wiener Züchter des Englischen Kröpfers ,,getrost mit den Züchten unserer Nachbarsländer messen können, bis auf die Engländer, die schon den englischen Kropf (typischer Wiener Ausdruck!) in Zwergform züchten“. Ähnlich klagen auch noch LAVALLE/Lietze 1905 in ihrem Buch „Die Taubenrassen“: „Bei uns haben sich die englischen Zwergkröpfer nicht einbürgern können.“ Selbst nach dem Ersten Weltkrieg behauptet Bruno DÜRINGEN in seinem 1923 erschienenen Werk „Die Geflügelzucht“ in Bezug auf den Englischen Zwergkröpfer: „Bei uns nicht viel gefragt, da unsere Brünner zierlicher, schöner, feiner scheinen als dieses englische Zuchtprodukt.“
Erst Studienrat Arno LESCH lässt im fünften Teil des „Mustertaubenbuches“ von Oswald WITTIG, erschienen 1925, die Trendwende anklingen, wenn es heißt: ,,Welche hohen Anforderungen man in England und nicht minder bei uns in Deutschland an diese Tiere (= Engl. Zwergkröpfer!) stellt, geht aus der Musterbeschreibung hervor. „Er dokumentiert dies mit Fotos der deutschen Zwergkröpferzüchter Böhner, Hambüchen und Pfütze, über die wir heute aber nur lächeln können, beim heutigen Hochstand dieser Rasse. Die Zwerge waren zwar, im Vergleich zu den großen Vettern noch in der Minderzahl, ganz im Gegensatz zu heute, doch sie waren präsent. Schon anlässlich der Clubgründung in Deutschland im Jahre 1912 standen auf der Nationalen in Franfurt/Main vom 10. bis 12. 02. 1912 neben den 92 Großkröpfern bereits 10 Zwerge. Aber schon auf der Clubausstellung am 1. und 2.01.1937 in Mönchen-Gladbach war es umgekehrt. 185 Zwerge dominierten über 147 Großkröpfer.
Die ersten Züchter:
Sir John SEBRIGHT: Geflügelzüchtern ist er nach dem nach ihm benannten Huhn bekannt, gilt also als Erzüchter des Englischen Zwergkröpfers. Von ihm selbst wüssten wir darüber nichts, denn er hat keine Aufzeichnungen hinterlassen. Dass er die Zwergkröpfer erzüchtete, ist durch den Londoner Schneidermeister John Matthews EATON überliefert, der in seinem bereits zitierten Buch aus dem Jahre 1858 darüber schreibt. Er berichtet, dass er nach dem Tod von Sir John beim Abverkauf „of this Bantam and pigeons“ war und überrascht war, solche Kröpfer zu sehen, und wie es möglich gewesen sei, den Englischen Großkröpfer so zu verkleinern, was Eaton mit dem Lateinischen „Multum in Parvo“ nennt (Groes in Kleinem!). Dennoch nach Eaton‘s Ansicht ,,in einem eleganten Grad und mit allen Eigenschaften des Englischen Kröpfers“. Und nochmals betont Eaton, dass kein Zweifel bestehen könne, dass Sir John ,,sie alle verkleinerte, so weit es ihm möglich war“. Damit schließt Eaton seine Bemerkungen der Sebrightschen Zwergkröpfer. Wir erfahren nicht, was mit ihnen geschah.
Der Londoner Ornithologe William Bernhard TEGETMEIER war auch ein begnadeter Taubenzüchter. Ihm verdankte auch der berühmteste englische Wissenschaftler seiner Zeit sehr viel, nämlich Charles DARWIN. Wie man in seinem Buch ‚‘The variation of animals and plants under domestication‘‘ nachlesen kann, züchtete auch Darwin Englische Kröpfer. Er nützte Tegetmeier als Informanten für seine Forschungen. So sein Biograph Roland CLARK: ,,Einer seiner wertvollsten Korrespondenten in den vierziger und fünfziger Jahren war William Bernhard Tegetmeier, der durch seine Schriften über Geflügelkunde bekannt war.“1868 veröffentlichte Tegetmeier in London sein Buch ‚‘Pigeons“ in dessen sechstem Kapitel er ,,Ausländische Kröpfer, Isabellen, Brunnen oder pigmy pouters“ behandelt. Er lernte bei Dr. Harvey aus Cork dessen schwarze und rote Brünner Kröpfer kennen, und es war ihm sofort klar, dass diese nur die Zeichnung des Englischen Kröpfers bräuchten (=Mond, Flügelrose!), um einen idealen Englischen Kröpfer in Kleinformat abzugeben. Er betonte ihre Kropffülle, ihre aufrechte Haltung, die Schlankheit der Taille und die Länge des Körpers. Weiter schreibt er: ,,Es gelang uns bis jetzt noch nicht, welche zu züchten, die gezeichnet sind wie die Englischen Kröpfer, aber es gibt keinen Zweifel, dass dies mit ein wenig Geduld vollendet werden kann.“ Auch Tegetmeier ist der Ansicht, dass Sebright nur so gezüchtet haben kann. Schließlich bedauert er, dass Sebright‘s Zwergkröpfer verloren gegangen sind. Für die Zukunft spricht er die Hoffnung aus, ,,dass die Zwergkröpfer von jenen bewundert werden, die die noble englische Zucht schätzen.“
Captain Norman HILL: Über ihn informiert der Taubenexperte England‘s schlechthin, nämlich James LYELL. In seinem Buch ‚‘Fancy Pigeons“ nennt er das neue Zuchtprodukt ,,Der Englische gezeichnete Zwergkröpfer“, um von vornherein eine Verwechslung mit dem Brünner auszuschließen. Der englische Begriff dafür ist ‚‘Pied“, worunter man Mond- und Flügelrosenzeichnung verstand. 20 Jahre lang habe Captain Hill an der Vervollkommnung des Englischen Zwergkröpfers gearbeitet. Aufsehen erregte eine von ihm ausgestellte schwarze Täubin, dies war 1879. Es fielen klarerweise auch Kreuzungsprodukte an. So will Lyell bei Clark eine Täubin gesehen haben, die zwar geherzt, aber zweifarbig war, auf der einen Seite schwarz, auf der anderen blau. 1885 konnte Hill auf der Londoner Kristall-Palast-Schau mit richtig gezeichneten, glanzfarben schwarzen Zwergen auftrumpfen.
Hill war auch aufgeschlossen genug, Lyell zu informieren, wie er zu diesen züchterischen Erfolgen kam. Eine erste Kreuzung führte er mit einem Norwich und einem ,,Ausländer“ durch, womit ein Brünner mit Beinbefiederung gemeint ist.
Unterstützung findet er bei Mr. Boreham. 1866 kaufte er bei Mr. Evans aus Borough einen blauen ‚‘Austrian Pouter“ (=Brünner!). Er kreuzte ihn mit einer blauen Englischen Kropftäubin. Fünf Jahre züchtete er aus dieser Linie, bis die Ergebnisse seinen Vorstellungen entsprachen. Nebst all den Schwierigkeiten, die Fußbefiederung und die Zeichnung zu stabilisieren , verlor Hill das oberste Zuchtziel nicht aus den Augen, die Eleganz des Brünners zu erhalten. Weiter legte er Wert auf einen natürlichen Gang der Tiere, ohne ‚‘rumping or jumping“. Je mehr die Tiere richtige Größe und Eleganz hatten, wurde auch auf die exakte Zeichnung geachtet, auf ,,einen Latz in richtiger Größe“, auf den Kropf und korrekte beidseitige Flügelrosen, eine tiefschwarze Farbe und dunkle orange Augen“. Auch der Gefahr eines zu kleinen Kropfes versuchte er gegenzusteuern. Die besten Farben in Hill‘s Zwergkröpferzucht waren schwarz, blau und silber. ,,Rot- und Gelbgeherzte waren selten“. Als jahrzehntelanger Rotzüchter, allerdings der Großen, wundert mich diese letzte Aussage über Hill‘s Zucht keineswegs.
Nun ist die Herkunft unserer Zwergkröpfer geklärt.
DDr. Kühschelm